Als ich den Namen "Working out loud" das erste Mal hörte, dachte ich: "Ach, die Amerikaner wieder... Leise geht bei denen nicht." Weiter daneben konnte ich gar nicht liegen: WOL, also das Kürzel, das für das Konzept "Working out loud" steht, bedeutet eben nicht, "laut" zu arbeiten. Eher ist damit gemeint, offener zu sein, mit Kollegen im Austausch zu stehen und andere an den eigenen Gedanken und der Arbeit teilhaben zu lassen.
Vor allem große Unternehmen wie Bosch, Continental, BMW, Daimler und Siemens unterstützen ihre Mitarbeiter*innen mittlerweile dabei, sich in den WOL-Circles zusammenzufinden. Denn wo Netzwerken im Unternehmen immer wichtiger wird, hilft eine solche Idee enorm, um quasi von unten her und über alle Abteilungsgrenzen hinweg Mitarbeiter*innen miteinander ins Gespräch kommen zu lassen.
Dahinter steckt die Überzeugung, dass es in der heutigen Arbeitswelt nichts mehr bringt, allein über seinen Ideen zu brüten, sondern so früh wie möglich andere daran teilhaben zu lassen, gemeinsam zu lernen und schließlich auch als Gruppe besser zu werden. Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren auch Formate wie BarCamps oder OpenSpaces, die ebenfalls von der Bereitschaft leben, Wissen zu teilen, Fragen zu stellen und sich offen einzubringen.
Wie du selbst einen WOL-Circle starten kannst, was es dir und den anderen Mitgliedern bringt, erzähle ich in dieser Podcast-Episode:
Als ich das erste Mal von Working Out Loud, also #WOL hörte, dachte ich zunächst: So ein typisch amerikanisches Konzept - man schreit herum beim Arbeit und wird dadurch sichtbar(er).
So meine Annahme.
Ich wurde dann ziemlich schnell eines Besseren belehrt, als ich Mitte letzten Jahres meinen ersten Working Out Loud Circle mitmachte.
Dahinter verbirgt sich eine Bewegung, die seit einigen Jahren die Unternehmenswelt aufmischt. Dabei fällt immer wieder ein Name: John Stepper. Er ist quasi der Erfinder von "Working out loud". Nicht der kompletten Idee und des Ansatzes, aber er war derjenige, der es in ein Konzept gegossen hat, die sich auch in Unternehmen einsetzen lässt. Daneben fallen vor allem in Deutschland immer ein paar Namen wie Harald Schirmer oder Sabine Kluge, die die Idee in ihren Unternehmen (Continental und Siemens) vorangetrieben haben.
Wenn du dich entschließt, Working out loud zu machen, wirst du dich
Zu Beginn formulierst du ein persönliches Ziel. Das kann, muss aber nichts mit deinem Beruf zu tun haben. Es geht also nicht darum, dass die Gruppe ein gemeinsames Ziel formuliert. Dein Ziel sollte eins sein, dass du in 12 Woche weiterentwickeln kannst, es sollte also nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein. So kannst du zum Beispiel für dich formulieren: "Ich möchte mein Unternehmen/meine Karriere in eine andere Richtung entwickeln, so dass ich auch für andere Jobs in Frage komme". Oder: "Ich möchte meine Website neu gestalten und suche dafür Ideen und neue Ansätze."
Wenn du dein Ziel formuliert hast, geht es darum, dass du eine Beziehungsliste erstellst. Das heißt, du überlegst dir, wer dir bei der Erreichung deines Ziels behilflich sein könnte. In der nächsten Woche schaust du dir deine Liste genauer an und ermittelst den Grad der Vertrautheit.
Das ist ein Element, das auch immer in meiner Beratung zum strategischen Netzwerken enthalten ist. Dabei schaust du dir an, wer sich eigentlich in deinem Netzwerk befindet, der dir bei deinem Ziel helfen könnte. Manche Personen davon sind sehr nah, andere weiter und wieder andere noch weiter entfernt.
Jetzt geht es - auch bei #WOL - darum, wie du die Personen, die weit entfernt sind, näher an dich heranholen kannst. Zum Beispiel, indem du eine Idee, einen interessanten Beitrag mit ihnen teilst. Hier kannst du auch durchaus mit den anderen überlegen, was diese als ansprechend, charmant oder eben als zu penetrant empfinden würden.
Die 3. Woche bringt dich dazu, dir Zeit für dich selbst zu nehmen. Oft vergessen wir ja neben den ganzen dringenden Aufgaben, die - vor allem für uns - wichtigen Aufgaben zu bedenken. In der folgenden Woche lernst du, dir über Empathie in deiner Kommunikation Gedanken zu machen. Eine meiner liebsten Aufgaben folgt in der 5. Woche: Hier sollst du eine Liste mit 50 Dingen über dich erstellen.
Zehn, 20 Dinge sind leicht, aber 50?
Doch, so schwer ist es nicht. Ich teile mal meine Liste mit dir:
Und jetzt stell dir vor, du triffst auf einen Menschen, mit dem dich auf den ersten Blick nichts zu verbinden scheint. Mit dieser Liste sollte es dir leicht(er) fallen, eine Gemeinsamkeit zu finden, über die ihr schon mal ins Gespräch kommen könnt.
So gibt es jede Woche entsprechende Aufgaben, bis ihr am Ende in Woche 12 zum Feiern zusammen kommt.
Hinter der Zusammenarbeit in einem Circle steht die Annahme, dass die Gruppe durch die Unterschiedlichkeit der Herangehensweise und des Verständnisses mehr ergibt, als die reine Summe der Teile. Alle Mitglieder unterstützen sich vertrauensvoll und bringen sich so weiter.
Auf der Website workingoutloud.com finden sich die Circle-Guides zum Herunterladen. Neben englisch sind diese mittlerweile auch auf deutsch und in einigen anderen Sprachen zu finden.
Jede Woche findest du eine Reihe von Aufgaben, die du gemeinsam mit den anderen Teilnehmer*innen löst. Bei jeder Aufgabe ist sehr genau erklärt, wie ihr dabei vorgehen könnt. Es werden Hindernisse angesprochen und mögliche Lösungen oder alternative Vorgehensweisen vorgeschlagen. Dazu wird immer festgelegt, welche Zeit ihr dafür veranschlagen solltest.
Eine Aufgabe lautet zum Beispiel:
Nach jeder Aufgabe tauscht ihr euch dann in der Gruppe aus, wie ihr jeweils vorgehen würdet oder was ihr euch überlegt habt. Wenn ihr dann gegenseitig eure Antworten reflektiert, wird schnell klar, dass jemand aus der IT anders auf manche Themen schaut wie jemand, der als Coach arbeitet. Für mich war das dieser Perspektivwechsel ein Riesengewinn!
Dieses Herunterbrechen auf sehr kleine Einheiten finde ich für jeden einzelnen, aber auch im Unternehmenskontext sinnvoll. So sind die Hürden, ins Tun zu kommen, nicht so hoch und es fällt jedem Menschen leichter.
Und wenn du das 12 Wochen lang durchziehst, baust du jede Woche weiter auf dem Erreichten auf - und wirst erstaunt sein, was sich am Ende alles verändert hat.
Alle Aufgaben pro Woche sind sehr gut in den vorgesehenen Einheiten zu schaffen. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum sich #WOL auch so gut in Unternehmen durchsetzen konnte.
Die Circle Guides unter workingoutloud.com sind frei zugänglich und mit der Circle Finder App kannst du ganz einfach weitere Teilnehmer*innen oder dich einem Circle anschließen. Auch bei Facebook kannst du dich mit Gleichgesinnten austauschen. Wenn du selbst einen Circle startest, steht dem nichts im Wege. Es sei denn, dein Unternehmen möchte das für die gesamte Organisation ausrollen - dann werden Lizenzgebühren an John Stepper fällig. Wenn sich aber erst einmal 5 Kollegen zusammenfinden, kannst du einfach so starten.
Wenn du dir einen Circle aussuchst, achte eventuell noch auf folgende Punkte:
Ich halte Working out loud für ein sehr gutes Konzept, um sich selbst weiterzuentwickeln, vor allem aber auch, um Grenzen in Unternehmen oder über Unternehmen hinaus zu durchbrechen.
Und jetzt bin ich neugierig: Wie hast du Working out loud erlebt? Hast du überhaupt schon einen Circle mitgemacht? Was möchtest du anderen dazu erzählen? Möchtest du noch etwas ergänzen?
Was denkst du?