Den Inhalt dieser E-Mail musste ich erstmal verdauen und drüber schlafen. Erst war ich verblüfft, dann verärgert. Wollte dieser potenzielle Kunde mir gerade wirklich vorschreiben, wie ich meinen Prozess zu gestalten habe? Was lief hier eigentlich? Und wie unverschämt kann man eigentlich sein? Was du tun kannst, wenn dir jemand Vorschriften machen will und wie ich reagiert habe, erzähle ich dir in diesem Artikel.
Es hatte so gut angefangen. Vor ein paar Wochen hatte ich eine sehr spannende Anfrage: Es ging darum, ein höherpreisiges, erklärungsbedürftiges Produkt zu vermarkten. Der Kunde suchte jemanden, der den Prozess gestaltet und mit ihm durchläuft. Für mich war dieser Auftrag sehr attraktiv – ein interessantes Produkt, ein Umfeld, in dem ich mich gut auskenne, toll!
Wenn wir als Berater*innen, Coaches oder Trainer*innen Prozesse gestalten, dann schütteln wir die in der Regel nicht aus dem Ärmel. Dahinter steckt eine Menge Arbeit, Wissen und Erfahrung.
Bei mir geht es häufig darum, wie meine Kund*innen es schaffen, eine Dienstleistung oder ein Produkt digital zu vermarkten. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern braucht einen Prozess, der üblicherweise mindestens 4 bis 6 Monate läuft. Und selbst danach gibt es immer noch Ecken, die nachgeschliffen werden oder an denen noch geruckelt werden muss, damit wirklich alle Rädchen ineinandergreifen.
Meine Kunden und Kundinnen wollen meistens LinkedIn für den Vertrieb nutzen, denn es ist einfach das soziale Netzwerk, über das man die Zielgruppe direkt erreichen kann. Bei manchen funktioniert Content Marketing, bei anderen Direktansprache, wieder andere bauen einen automatisierten Prozess. Und in fast allen Fällen geht es nicht nur um LinkedIn, sondern auch noch um andere Ebenen:
Um all diese Ebenen sinnvoll zu verknüpfen, gibt es bei mir einen festen Prozess mit Meilensteinen, Vorlagen und strategischen Besprechungen. Die Kund*innen arbeiten 4 bis 6 Monate mit meiner Unterstützung an ihrem individuellen System.
Wenn ich eine Anfrage bekomme und sie interessant finde, dann braucht es noch Klärung und einen Rahmen für den Prozess. Bevor eine Zusammenarbeit zustande kommt, lege ich daher Wert auf:
Das hatte ich natürlich auch bei der interessanten Anfrage aus meiner Geschichte vom Anfang gemacht. Und als alle Fragen beantwortet waren, erstellte ich mein Angebot – inklusive des Abrechnungsmodus. Bei mir heißt das: Ein fester Preis für den Prozess mit 50 Prozent Vorkasse.
Die Antwort-E-Mail des Kunden, die mich doch sehr verblüfft und verärgert hat, kam ein paar Tage, nachdem ich mein Angebot verschickt hatte.
Der Kunde schrieb mir, so ginge das nicht, der Abrechnungsmodus entspreche so gar nicht seinen Vorstellungen, das müsse anders sein. Dann folgte eine Aufzählung, wie die nächsten Schritte auszusehen hätten, wie ich abrechnen solle und so weiter.
Der Ton war grenzwertig. Ich hatte den Eindruck, er würde gerade MICH beraten, wie ICH meinen Prozess gestalten solle. Du kannst dir vielleicht vorstellen: Ich fand das äußerst unangebracht und war auch ärgerlich.
Ich habe die Mail dann erstmal zur Seite gelegt und alles sacken lassen, denn mit Ärger im Bauch sollten wir keine Kommunikation fortführen. Zusätzlich habe ich mit Kollegen und Kolleginnen gesprochen, um meine Wahrnehmung zu prüfen. Und eine Kollegin sagte dann ganz treffend:
Der hat dir in dein Revier gepinkelt!
Das traf es ziemlich genau. Und nachdem ich das alles auf mich wirken lassen hatte, war es ganz klar: Mach ich nicht, passt nicht, will ich nicht!
Ich habe also eine höfliche E-Mail geschrieben und erklärt, dass es wohl besser wäre, wenn wir nicht zusammenarbeiten. Die Antwort zeigte dann, dass das die einzig richtige Entscheidung war. (Der Inhalt ist wirklich nicht zitierfähig, daher erspare ich dir das an dieser Stelle.)
Versteh mich nicht falsch – es geht hier nicht darum, dass man starr auf seinem Prozess beharren soll und Kund*innen-Wünsche keine Rolle spielen.
Natürlich ist es wichtig, auf die Bedürfnisse von Kund*innen einzugehen und natürlich kann man auch den Prozess an den passenden Stellen anpassen, wenn es nötig und logisch ist. Es kann immer mal zu Umwegen und Änderungen kommen, wenn man länger zusammenarbeitet. Aber es gibt einfach Dinge, die gehen nicht.
Dieses Zitat von Lionel Logue aus dem Film „The King's Speech“ finde ich einfach zu passend, um es nicht zu erwähnen. Denn genau so ist es: Wenn du einen Prozess gestaltest, dann gibst du die Regeln vor.
Daher hier meine drei Punkte, die du beachten solltest, wenn du im Umgang mit Kund*innen in so eine Situation kommst, in der ich war.
Mach dir klar, was du brauchst, um gute Arbeit zu leisten. Zum Beispiel die Methoden, die Termine oder auch ein Abrechnungsmodus, der den Prozess am Laufen hält.
Du hast den Prozess gestaltet, du weißt, wie du den besten Fortschritt für deine Kund*innen ermöglichst. Du hast die Erfahrung und das Wissen, vielleicht hast du studiert, eine Ausbildung, hast dir genau überlegt, welcher Weg der passende für Kund*innen oder Klient*innen ist. Du hast die Methoden und Arbeitsmaterialien zusammengestellt, du arbeitest auf deine Art und Weise und zwar im bestmöglichen Sinne für die Kund*innen. Daher lass dir nicht reinreden – es hat einen Grund, dass dich jemand mit der Führung beauftragen möchte.
Was brauchst du, um Menschen gut zu begleiten? Du hast dir das sicher gut überlegt und deinen Prozess so gestaltet, dass du gut an der Seite deiner Kund*innen sein kannst. Wenn sich schon zu Beginn etwas falsch anfühlt, geht das einfach nicht gut. Wenn Irritationen da oder die Rollen nicht klar sind, wenn es sich falsch anfühlt, dann kannst du nicht begleiten und durch den Prozess leiten.
Wenn deine Kund*innen dir oder deinem Prozess nicht vertrauen, kannst du kein gutes Ergebnis erzielen.
Daher entscheide im Zweifel lieber gegen die Zusammenarbeit. Denn es kann immer sein, dass dieser eine Kunde mit diesem einen Projekt zu genau diesem Zeitpunkt einfach nicht zu dir passt. Und das ist völlig okay so.
My Castle, my Turf, my Rules. (Lionel Logue im Film „The King's Speech“)
Was denkst du?