Ich sah sie immer vom Balkon. Vor allem im Sommer lag sie gern im Garten und sonnte sich. Stundenlang.
Na, das ist aber nicht gesund, dachte ich. Davon bekommt man doch Hautkrebs.
Auf jeden Fall war sie schön braun. Dazu lange, blonde Haare, schlank – eine gut aussehende Frau.
Manchmal traf sie sich mit Freunden im Garten und grillte, rauchte vor sich hin, trank ein oder auch zwei Bierchen.
Aus meiner Sicht vom Balkon ein gutes Leben.
Ihre Wohnung war nicht groß, aber gut geschnitten, und mit dem Garten nach hinten raus ein Kleinod in einer Stadt wie Köln.
Ihre Küche, die man von vorn ein bisschen einsehen konnte, sah gemütlich aus. Im Winter oder bei schlechtem Wetter traf sie sich vielleicht hier mit ihren Freunden.
Irgendwann im letzten Herbst war die Wohnung leer.
Naja, sie wird wohl weggezogen sein, überlegte ich.
Lange stand die Wohnung leer.
Irgendwann fragte ich den Nachbarn, der alle im Viertel kennt, weil er immer mit seinem kleinen Hund spazieren geht.
Was ist eigentlich mit der Wohnung?
Die wird verkauft. Die A.* ist gestorben. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es hat nur neun Wochen gedauert.
Meine Nachbarin ist 45 Jahre alt geworden.
Ich kannte sie nicht. Wir haben uns nicht einmal gegrüßt.
Aber 45 ist nur wenige Monate mehr als ich nun alt bin. Das erfüllt mich mit Trauer. Es macht mich traurig zu wissen, dass sie nun nicht mehr im Garten sitzen, grillen, Bierchen trinken und eine schmöken kann.
Das Leben kann auf einmal sehr endlich sein. Und Krebs ist ein Arschloch.
Trauer. Bild: behrchen/photocase.de
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